In der jetzt 250-jährigen Geschichte des Festes Mariä Himmelfahrt in Warendorf liegen die Ursprünge nahezu aller Festbögen im geschichtlichen Dunkel. Im ersten Drittel des 19. Jahr­hunderts, um das Jahr 1830 herum, muss auch von der Bogengemeinschaft Königstraße – wie von anderen Bogengemeinschaften wohl auch – ein neuer Bogen in Auftrag gegeben worden sein. Dieser Bogen, auf alten Photographien und Abbildungen mit der damaligen Ampelanlage an der Kreuzung Königstraße/Krickmarkt im Hintergrund noch zu sehen, war aus Holz, hatte auch wie die anderen Bögen vier Säulen und glich in gewisser Weise dem heute noch aufgebauten Bogen der „Oberen Brünebrede“. Dieser Bogen – manchem älteren Mitbürger vielleicht noch bekannt – wurde bis zum Zweiten Weltkrieg aufgebaut. Er muss aber nach dem Krieg in einem derart miserablen Zustand gewesen sein, dass der Marktbo­gen-Vorsitzende Josef Dreischulte in einem Schreiben an alle Bogenvorstände vom 16. 9. 1952 feststellt: „Wir können es aber nicht ansehen, wenn einer unserer Bögen verfällt. Wie wir alle wissen, handelt es sich um den Bogen der Königstraße, welcher unbedingt erneuert werden muss.“

Am 8. August 1953 wurde zum ersten Mal der Vorgänger des jetzigen Königstraßen-Bogens, der bis 1971 existierte, aufgebaut. Sein Entwurf stammte vom Warendorfer Architekten Josef Wörmann, der sich gegen drei Alternativentwürfe durchsetzen konnte. Nach der Bauzeich­nung des Nachbarn J. Wewer wurden die Schreinerarbeiten von der Firma August Kreien­baum durchgeführt. Die Gesamtkosten beliefen sich auf ca. 5000 DM, was der Königstraßen-Bogengemeinschaft erhebliche Finanzierungsprobleme bescherte, bestand die damals kleinste Bogengemeinschaft doch lediglich aus ca. 60 Familien.

Die Muttergottes-Figur, die den neuen Bogen krönte, stammte vom Freckenhorster „Nach­wuchsbildhauer“ Horsch. Ihr Guss erfolgte in der Warendorfer Gießerei Cordes, kostenlos und von einer Feierstunde am 30. 5. 1953 umrahmt, an der auch Bürgermeister Heinermann, Dechant Hast und Buchhändler Heine, der Vorsitzende des Heimatvereins, teilnahmen. Hei­matdichter Anton Aulke verfasste aus diesem Anlass eigens ein Gedicht „Zur Feier des Ta­ges – Der Königstraßen-Bogen erhält heute seine Madonnen-Figur“.

Dieser neue Königstraßen-Bogen, der nur zwei Säulen besaß und an vier Nachbarhäusern verankert werden musste, existierte bis 1971. Er hatte eine relativ geringe Breite und Durch­fahrtshöhe, so dass es bei zunehmendem Straßenverkehr – damals rollte noch der gesamte Schwerlast-Verkehr von Beckum nach Osnabrück über die Brünebrede, Königstraße, Markt­sträßchen, Markt, Emsstraße und Sassenberger Straße – zu Schwierigkeiten mit diesem Bo­gen kam. Seine Holzqualität aus der Nachkriegszeit war auch wohl nicht von derartiger Güte, so dass er – beschädigt von einem LKW – im Jahre 1972 nicht wieder aufgebaut werden konnte. Lediglich die Muttergottesfigur diente zur Ausschmückung eines Altars an der Ecke Königstraße/In den Lampen.

Auf Veranlassung der beiden inzwischen verstorbenen Warendorfer Kaufleute Karl-Heinz Darpe und Theo Baggeröer wurde dann im Jahre 1994 der jetzige, neue Königstraßen-Bogen wiedererrichtet. Er ist nach dem Wörmann-Vorgängermodell von Clemens Eggersmann neu entworfen worden und stellt mit größerer Höhe und Breite in der heute verkehrsberuhigten Königstraße kein Verkehrshindernis mehr dar. Dieser neue Bogen aus Leimbinder und Massivholz, dessen Bau weit über 100.000 DM kostete, wird am Boden komplett zusammengebaut und dann als mehrere Tonnen schweres Gesamtwerk von einem Kranwagen in die Fundamente gehoben. Er wird wieder aus mehr als 6000 kleinsten Bohrlöchern mit Gas beleuchtet, das sich bei stärkerem Wind sogar immer wieder von selbst entzündet – die moderne Technik der Fa. Pumpe&Röwekamp macht es möglich.

Im Jahre 2013 konnte nach zwanzigfachem Auf- und Abbau der renovierungsbedürftige Bogen einen neuen Anstrich erhalten. Möglich wurde dieser finanzielle Kraftakt durch die nach wie vor enorme Spendenbereitschaft der Warendorfer Bürger bei den jährlichen Sammlungen. Vor dem Aufbau in 2014 wurde die Madonna und der Strahlenkranz von der Firma Taflan instandgesetzt, neu grundiert und lackiert. Yunus Taflan spendete den Arbeits- und Materialeinsatz.

Finanzierung des Bogen-Neubaus an der Königstraße 1952/53

Der 1994 wiederaufgebaute Bogen an der Königstraße hat über 100 000 DM gekostet. Nahezu unvorstellbar, vor welche finanziellen Schwierigkeiten der Neubau des Vorgängerbogens 1952/53 die Nachbarn gestellt hat: Circa 5 000 DM sollte dieser Neubau kosten, wie sollte Franz Pelkmann der am 30. 7. 1951 als Nachfolger von Schneidermeister Schlingmann zum Vorsitzenden gewählt worden war, und seine „kleinste Bogengemeinschaft der Stadt mit nicht einmal 60 Familien“ diesen finanziellen Kraftakt in diesen Nachkriegsjahren meistern?

Zunächst einmal macht ein Schreiben des Marktbogen-Vorsitzenden Josef Dreischulte an alle Bogenvorstände vom 16. 9. 1952 die Situation deutlich und versucht, gut nachbarschaftlich zu helfen: „… Wir können es aber nicht ansehen, wenn einer unserer Bögen verfällt. Wie wir alle wissen, handelt es sich um den Bogen der Königstraße, welcher unbedingt erneuert werden muss. Es ist unmöglich, dass die Königstraße allein die Kosten für den Neubau tragen kann. Da ist es nun eine Ehrenpflicht für jeden Vorsitzenden, nach besten Kräften zu helfen. So wollen wir dann zu der nächsten Bogenversammlung diese Angelegenheit als Hauptpunkt einer Besprechung auf die Tagesordnung setzen und uns dafür einsetzen, dass wir ermächtigt werden, einen guten Betrag an den Vorsitzenden der Königstraßen-Bogengemeinschaft, Herrn Pelkmann, abzuführen.

Ferner möchte ich den Vorschlag machen, eine Hutsammlung auf dem Bogenball möglichst von den Vorsitzen­den zugunsten der Königstraße durchzuführen.“

Neben den örtlichen Institutionen und Gemeinschaften (Stadtrat, Kreistag, Volksbank, Sparkasse, Fleischer- und Bäckerinnung, Wirteverein usw.) und Privatpersonen werden auch überregionale Stellen um Hilfe gebeten.

In einem Schreiben an die Kultusministerin Teusch (vom 25. 11. 1951) heißt es: „Wir richten deshalb, verehrte Frau Minister, an Sie die Bitte, uns einen Betrag für die Erhaltung solch edlen und alten Brauchtums zur Verfügung zu stellen.“

Die Antwort aus Düsseldorf besagt, „dass für derartige Zwecke keine Mittel zur Verfügung stehen. Ich empfehle Ihnen, sich dieserhalb mit der Westfälischen Provinzialverwaltung in Münster in Verbindung zu setzen.“

Ein entsprechendes Schreiben an den Landeskonservator in Münster bleibt zunächst ohne Antwort. Erst nach nochmaligem Nachfragen erhält die Königstraße folgende Antwort: „Am Dienstag, dem 13. 1. 1953 gegen 9 Uhr wird Architekt Fischer zwecks Besichtigung des alten Bogens nach dort kommen.“

In seinem Reisebericht vom 15. 1. 1953 schreibt dieser dann, „… dass für den Neubau eines Bogens keine Denkmalpflege-Beihilfe bereitgestellt werden kann. Da der alte Bogen nicht im geringsten einen Denkmalwert besitzt, kann auch hier keine Beihilfe gewährt werden. … Ich würde versuchen, für diesen Zweck beim Bischöfli­chen Generalvikariat eine Beihilfe zu erlangen.“

Das tut die rührige Bogengemeinschaft umgehend. Sie spricht von einem Neuanschaffungspreis von ca. 4.000 DM und einer Finanzierungslücke von ca. 1.000 DM. „Da es sich um eine religiöse Verehrung der Himmels-Königin handelt, glauben wir, Ihnen die Bitte vortragen zu dürfen, ob seitens der bischöflichen Behörde eine fi­nanzielle Unterstützung möglich ist.“

Doch auch beim Bischof in Münster ist keine Hilfe in Aussicht. Er teilt mit, „…dass wir nicht in der Lage sind, Ihnen für die Neuerrichtung eines Triumphbogens für das dort. Maria-Himmelfahrts-Fest eine Beihilfe zu gewähren, da nach der bestehenden Haushaltsordnung die Mittel für derartige Zwecke aus den Gemeinden selbst aufgebracht werden müssen.“

So bleiben nach dem Vorstandsbeschluss vom 10. 2. 1953, den „Wörmann-Bogen“ von der Warendorfer Firma Kreienbaum bauen zu lassen, lediglich die von Bürgermeister Heinermann zugesagten 500 DM sowie von jeder anderen Bogengemeinschaft je 50 DM an offizieller finanzieller Unterstützung.

Materielle Unterstützung ersucht man obendrein bei Stadt und Kreis: „Das Stadtbauamt soll gebeten werden, eine Linde für die Herstellung der Marien-Doppelplastik abzugeben.“ Dadurch könne man 150 DM einsparen. In einem Schreiben an den Kreis heißt es: „Nach Rücksprache mit dem Kreisstraßenmeister Kröger sollen an der Everswinkeler – Neu-Warendorferstraße mehrere schlagreife Pappeln stehen, die jetzt eingeschlagen wer­den könnten. Vielleicht wäre dieses ein Weg, uns zu helfen. Wir könnten dann dieses Holz Wert gegen Wert mit der bauausführenden Bauschreinerei verrechnen.“

Doch selbst hier gibt es eine negative Antwort: „Der Ausschuss sieht in Anbetracht der schwierigen Finanzlage des Kreises keine Möglichkeit, Mittel für einen solchen außerhalb des Aufgabenbereiches des Kreises liegenden Zweck verfügbar zu machen. Auch die von Ihnen vorgeschlagene Überlassung von schlagreifen Straßenbäumen musste vom Ausschuss zur Vermeidung von Berufungsfällen aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt werden.“

So mussten sich Franz Pelkmann und seine Bogengemeinschaft Königstraße doch auf ihre eigenen finanziellen Mittel stützen, weiter kräftig sammeln und waren schließlich froh, die vom „Nachwuchsbildhauer“ Horsch ent­worfene Doppelmadonna in der Gießerei Cordes kostenlos aus Leichtmetall gegossen zu bekommen. So mag als letzte Nachricht die Protokoll-Notiz vom 1. 8. 1953 für alles stehen: „Die vorhandenen Geldmittel würden vor­aussichtlich reichen, alle Kosten zu begleichen.“